Eine wunderbare Geschichte: Wie die Wiedergeburt von Tenga Rinpoche gefunden wurde, Teil 2

Eine wunderbare Geschichte: Wie die Wiedergeburt von Tenga Rinpoche gefunden wurde, Teil 2
von Michele Martin, Tergar Kloster, Bodhgaya, Bihar, Indien, 21. März 2017.

 Informationen über den Yangsi gab ihnen Seine Heiligkeit noch ein zweites Mal während dieser Zeremonien im Vajra Vidya Institut. Am 20. März 2016 war der Karmapa aus Bodhgaya hier angekommen und am 21. März eröffnete er die dreitägigen Pujas in der prächtigen Gompa des Instituts.
Zwei besondere Altäre waren vom Karmapa selbst wunderschön aufgebaut worden: Einer für den Guruyoga des Karma Pakshi am Morgen, der andere für die Praxis der fünf Tseringma-Schwestern am Nachmittag.  Die fünf Schwestern, deren Sitz im Himalaya sein soll, sind Schützer der Kagyu-Linie. Die Haupt-Tseringma ist auch Linienhalterin von Milarepas Dharmabelehrungen. Vor allem gilt Tseringma für die Gegend von Nubri als besonderer mächtiger Schutzgeist.

Diese zwei Praktiken von Karma Pakshi und Tseringma sind die gleichen, die der Karmapa während des jährlichen Nonnentreffens in Bodhgaya leitete. In Sarnath waren die Rituale angereichert mit einer Fülle von Opfergaben, dauerten drei Tage und fanden ihr Ende am glückverheissenden Vollmondtag des zweiten tibetischen Monats.
Der Karmapa hatte eine Bemerkung zu diesen Pujas gemacht, "Vielleicht werde ich diesmal den Yangsi klarer sehen". 

Am dritten Tag, dem 23. März 2016, nach der Puja, gab Seine Heiligkeit beim Verlassen der Gompa Tempa Yarphel einen gefalteten Zettel. Er fand darauf die Zeichnung eines Hauses mit einem großen Felsblock und die Angabe der Richtung, in die die Haustür zeigte. Oben stand "Jahr des Pferdes".

Am selben Abend bat das Team Seine Heiligkeit bei einer Audienz um weitere Erklärungen und Ratschläge. Der Karmapa sagte zu ihnen, sie wüßten wohl nicht, wie sie in Samdo suchen sollten. "Möglicherweise ist die Mutter als Braut in ein anderes Dorf gezogen oder der Vater arbeitet woanders als Knecht. Wahrscheinlich haben sie ein Kind. Sucht nach ihnen."

Das Suchteam kehrte also nach Samdo, Nubri zurück. Diesmal bat Lama Garwang den Ortsvorsteher und amtierenden Lama, Lama Urgyen, eine große Versammlung mit den Dorfbewohnern einzuberufen. Ein klarer Himmel strahlte über den Bergen, als alle zusammenkamen und Khenpo Garwang nach Familienmitgliedern fragte, die weggezogen waren und Kinder hatten. Die Leute waren sehr hilfsbereit und  riefen sogar ihre Verwandten in Europa, Amerika und Australien an, um herauszufinden, ob sie so ein Kind hatten, aber sie fanden nur ein kleines Mädchen, das im Jahr des Pferdes geboren war, keinen kleinen Jungen.
Drei Tage vergingen, und dann, am späten Nachmittag, gegen halb sechs, hatte der Generalsekretär Lust auf etwas zu trinken und ging zu einem kleinen Laden, in dem eine Frau Tee, Kaffee und ein paar Snacks verkaufte. Er bestellte sich eine Tasse Kaffee und während er ihn trank, fing die Ladenbesitzerin, wie es in abgelegenen Berggegenden der Brauch ist, ein Gespräch an. (Wie sich später herausstellte, war sie die Schwester von Lama Urgyen und  hieß Sithar)

"Und, habt Ihr das Kind gefunden?"
"Nein", seufzte der Generalsekretär, "wir haben überall gesucht, konnten es aber nicht finden".
Sie fragte: "Wusstest Du, dass die Tochter meiner älteren Schwester einen Jungen hat, der im Jahr des Pferdes geboren ist?"
"Wo ist sie?" fragte der Generalsekretär sofort.
"Meine Schwester ist als Braut nach Rö gezogen."
"Wo ist das denn?"
"Ihr geht den Berg runter, ungefähr drei oder vier Stunden, schon seid Ihr da."
Der Generalsekretär war so überrascht wie aufgeregt. Er zahlte seinen Kaffee, ließ die halbvolle Tasse stehen und rannte auf schnellstem Weg zum Suchteam in seinem Gästehaus. Khenpo Garwang sagte: "Das ist wirklich merkwürdig. Bei unseren vielen Treffen hat nie jemand dieses Kind erwähnt. Lasst uns morgen, so früh wie möglich, dorthin gehen. Da Lama Urgyen eine Respektsperson und ein Verwandter des Jungen ist, wäre es gut, ihn zu bitten, mit uns zu kommen."
Weil Lama Urgyen ganz in der Nähe wohnte, begab sich  das Suchteam sofort zu ihm und Khenpo Garwang fragte ihn:
"Ist Deine Schwester als Braut nach Rö gegangen?"
"Ja, aber meine Schwester ist schon vor längerer Zeit gestorben", antwortete er.
"Ihre Tochter hat einen Sohn, oder?"
"Ja"
"Kann es sein, dass er im Jahre des Pferdes geboren ist?"
"Ja, kann sein. Ich ruf sie an."
Lama Urgyen rief Yangsis Mutter an und fand heraus, dass der Junge tatsächlich im Jahr des Pferdes geboren war. Lama Urgyen erinnerte sich auch, dass er selbst es gewesen war, der dem Jungen nach seiner Geburt sein Geburtshoroskop erstellt hatte. Glücklich erklärte er sich bereit, mit dem Suchteam nach Rö zu gehen.
In großer Vorfreude machte sich das Suchteam am folgenden Tag auf den Weg, den Enkel seiner Schwester zu treffen. Nach dem Abstieg durch das Tal erreichte es schließlich das Haus, bekannt als 'das Neue Haus in Nubri-Rö'  (Nub ri ros khang gsar). Als der Generalsekretär den Yangsi sah, dachte er: "Die Augen dieses Kindes haben einen besonderen Glanz". Es stellte sich heraus, dass die Namen der Eltern dieselben waren wie im Vorhersagebrief: Der Vater hieß Tsering Wangdu (meist Wangdu genannt), als Urgyen Pasang Wangpo kannte man ihn, als er vier Jahre lang Mönch in Tsoknyi Rinpoches Kloster in Swayambhunath war, das jetzt unter der Leitung von Mingyur Rinpoche steht und Tergar Özel Ling heißt. Yangsis Mutter hieß Dawa Potri, in ihrer Zeit als Nonne in Penor Rinpoches Nonnenkloster in Südindien auch bekannt als Tsultrim Chödrön . Sie hat zwei ältere Schwestern und drei jüngere Brüder. Es stellte sich auch heraus, dass die Mutter von Tsoknyi Rinpoche und Mingyur Rinpoche aus Rö stammte.
Die Eltern nannten ihren Sohn Nyima Döndrub, er wurde am 23. Tag des zehnten tibetischen Monats im Jahr des Holzpferdes (14.12.2014) um 23:30 Uhr geboren. Der vorige Tenga Rinpoche war in den frühen Morgenstunden des 30. März 2012 gestorben, er hat also nicht lange mit seiner Wiedergeburt gewartet, ganz wie der Karmapa vorhergesagt hatte. Nach tibetischer Rechnung ist Yangsi vier Jahre alt, weil er im 10. Monat geboren wurde und an Losar (Neujahr) wird jeder ein Jahr älter, egal, wann er geboren wurde. Als Yangsi zwei Monate alt war, wurde er deshalb schon als Einjähriger betrachtet. Dann vergingen zwei Jahre, er war also drei und in diesem Jahr war Losar am 27. Februar, da wurde er vier. Nach westlicher Zählung ist er jedoch gerade mal zwei Jahre und etwa drei Monate alt.
Das Suchteam machte viele Fotos und bei seinem Besuch zog der Junge mehrmals an der Chuba seiner Mutter und sagte etwas im Nubri-Dialekt zu ihr. Als Tempa Yarphel dann Khenpo Wusung um eine Übersetzung bat, stellte sich heraus, dass es sich dabei um eine traditionelle Begrüßungsgeste handelte, " Schenk ihnen Tee ein".
Auf die Frage des Suchteams über den Vorhersagebrief und die Anzahl der Familienmitglieder hatte der Karmapa schon zuvor gesagt, es könnten viereinhalb sein und erklärte, dass "halb" heissen könne, dass die Mutter schwanger sei. Beim Besuch des Teams sagte die Mutter aber, dass sie ihre Periode regelmäßig habe, so dass sie zu diesem Zeitpunkt nicht schwanger war. Es gab aber vier Familienmitglieder: die beiden Eltern, den Yangsi und seine zwei Jahre ältere Schwester Kelsang Chökyi.  Der Generalsekretär fragte die Eltern auch nach dem Felsbrocken auf Karmapas Zeichnung. Sie antworteten, dass ihr altes Haus einen solchen Felsbrocken hatte. Beim Abriss des Hauses hatten sie den Stein zerlegt, um ihn beim Bau eines neuen Hauses mit mehreren Extrazimmern zu nutzen. Sie dachten, sie könnten vielleicht ein Gästehaus eröffnen.
Aus Rö berichtete Khenpo Garwang Seiner Heiligkeit den Ablauf in allen Einzelheiten, unter anderem auch, dass ein halbes Familienmitglied fehlte. Drei Tage später antwortete Seine Heiligkeit und beorderte Khenpo Garwang nach Bodhgaya in Indien und die anderen nach Kathmandu zurück. Wieder in Indien ging Khenpo Garwang mit Seiner Heiligkeit nochmal alles im Detail durch und zeigte ihm die Fotos der Familie, ihres Hauses und der atemberaubenden Landschaft, aber der Karmapa sagte dann, er habe nichts zur Wiedergeburt von Kyabje Tenga Rinpoche zu sagen.

 

Anmerkung: Dieser Text wurde von Michele Martin geschrieben, die verschiedene Interviews mit Tempa Yarphel, der Suchmannschaft und anderen geführt hat. Frau Michele Martin hat uns erlaubt, ihn für unsere Webseite zu verwenden. Wir sind sehr glücklich über ihr großartiges Angebot und möchten uns herzlich bedanken. Vielen, vielen Dank!