Eine wunderbare Geschichte: Wie die Wiedergeburt von Tenga Rinpoche gefunden wurde, Teil 1

Eine wunderbare Geschichte: Wie die Wiedergeburt von Tenga Rinpoche gefunden wurde, Teil 1
von Michele Martin, Tergar Kloster, Bodhgaya, Bihar, Indien, 21. März 2017

Seit Kyabje Tenga Rinpoches Tod am 30. März 2012 ist das Auffinden seiner Wiedergeburt (Yangsi) mit großer Hoffnungen und tiefer Hingabe erwartet worden, besonders innerhalb der Karma Kamtsang-Linie. Bevor er das Benchen Kloster in Nepal gründete, war der Riualmeister S.H. des 16. Karmapa. Er war berühmt für seine detaillierten Kenntnisse der Vajrayana Zermoien.
Während seiner Deutschlandreise sprach der Gyalwang Karmapa über Kyabje Tenga Rinpoche und sagte am 30. August 2015:
"Hier in Deutschland hatte ich die Gelegenheit, viele Schüler von Kyabje Tenga Rinpoche kurz zu treffen und mich mit ihnen auszutauschen. Seit seinem Dahinscheiden ist schon eine Weile vergangen, aber seine Schüler und ich selbst haben die ganze Zeit an Rinpoche gedacht. Diese Erinnerung hat dazu geführt, dass unser Vertrauen, unsere Hingabe und Liebe zu ihm immer mehr aufblühen.
Vor seinem Tod hat Rinpoche mir noch ein paar Worte über seine zukünftige Wiedergeburt gesagt. Und so hoffe ich sehr und bete, dass wir seinen Yangsi bald treffen werden. Deshalb möchte ich die Schüler von Tenga Rinpoche und auch jene, die Akong Rinpoche verbunden sind, sehr ermutigen, gelassen und entspannt zu sein. Unterstützt weiterhin die erleuchteten Aktivitäten Eurer Lehrer, ich glaube, das reicht."

Ein halbes Jahr später, am 22. Februar 2016, machte der S.H. Karmapa während der Schlusszeremonie des Kagyü Mönlam eine spannende Ankündigung: Während der Tseringma Puja, die bei der Arya Kshema Winter Dharmaversammlung durchgeführt wurde, fühlte er eine große Hingabe zu Tenga Rinpoche und er hatte eine "Idee oder vage Vision, wo er sein könnte". Er sagte, er würde diese Einzelheiten für sich behalten, bis er sie S.E. Sangye Nyenpa Rinpoche mitteilen könne, er hoffe aber auf Tenga Rinpoches baldiges Wiederkommen.

Am 24. Februar 2016 überreichte Seine Heiligkeit Drubwang Sangye Nyenpa Rinpoche den ersten Vorhersagebrief für Tenga Rinpoche. In diesem besonderen Dokument nannte Seine Heiligkeit die Namen der Eltern und gab eine klare Beschreibung der Landschaft, in der sie lebten. Ebenfalls am 24. wählten Seine Heiligkeit und Sangye Nyenpa Rinpoche gemeinsam die Mitglieder der wichtigen Suchmannschaft aus. Dazu gehörten der Generalsekretär Tempa Yarphel, der Junior-Generalsekretär Tashi Öser, Khenpo Wusung und der Dorje Lopön Tsültrim Rabten. Dann sagte Seine Heiligkeit, dass diese vier am Abend zu ihm kommen sollten, er wolle ihnen eine qualifizierte Person für die Suche zur Seite stellen.
Als sie dann an diesem Abend zu ihm kamen, sagte der Karmapa, dass Khenpo Garwang ihnen helfen würde, so dass sie jetzt im Team zu fünft seien. Khenpo kam als Vertreter Seiner Heiligkeit Karmapa und des Tsurphu Labrang. Seine Heiligkeit sagte, Khenpo Garwang sei brillant und er habe die Wahrnehmungsfähigkeit von neun Leuten. Das Team könne ihn während der Suche immer um Rat fragen. Bei dieser Gelegenheit bat Khenpo Garwang sofort um Karmapas Hilfe: "Ich brauche eine Karte von Yangsis Geburtsort. Sonst wird's schwierig." Seine Heiligkeit sagte scherzhaft: "OK. Ich tu mal so, als ob ich was wüsste" und bat um Papier. Während er zeichnete, sagte er: „Hier ist ein Berg, der sieht ungefähr so aus. Und da sind Häuser. Dann gibt es einen Fluss, der ungefähr so verläuft. Er ist nicht besonders groß." Letzten Endes hat er ein Bild gezeichnet, das die Klarheit eines Fotos besaß. Es zeigte den Aufbau der Landschaft mit einem Fluss mittendurch und die Form der Häuser, manche mit flachen Dächern, andere mit Giebel, und ein Haus stand genau unterhalb des Bergriesen.
Im weiteren Verlauf der Unterhaltung erwähnte Seine Heiligkeit, dass es in diesem Gebiet 32 bis 40 Haushalte gäbe. (Später stellte sich heraus,  dass bei einer Haushaltszählung durch eine NGO in diesem weit verstreuten Dorf genau 40 Haushalte gezählt worden waren.) Der Karmapa erklärte auch, dass die Familie aus viereinhalb Personen besteht und antwortete auf Nachfrage, dass das "einhalb" sich auf ein Kind im Mutterleib beziehen könnte. Auf die Frage des Generalsekretärs nach Yangsis Alter antwortete der Karmapa, "Er scheint drei oder vier zu sein".
Laut Vorhersagebrief war der Ort in der Nähe eines gesegneten Berges mit dem Namen Gangpung Gyen (Gangs phung rgyan, Manaslu in Nepali, der achthöchste Berg weltweit). Khenpo Wusung wollte wissen, um welches Dorf es sich wohl handeln könne, nachdem es so viele davon gäbe in dieser Gegend. Der Karmapa antwortete, es sei das der tibetischen Grenze am nächsten liegende Dorf. Und das war Samdo.
Seine Heiligkeit ermutigte die Mannschaft: "Am besten macht Ihr Euch sofort auf die Suche nach dem Yangsi ". Und so reisten sie alle am nächsten Tag zurück nach Nepal und dann weiter Richtung Nubri, einem Hochgebirgstal im Norden Nepals an der Grenze zu Tibet. Da zwischen Nubri und Kathmandu ein sechstägiger Fußmarsch liegt, benutzten sie einen Helikopter, um durch die tiefen Täler zwischen den mächtigen Bergen an die nördliche Grenze zu fliegen. Als kurz vor ihrem Endziel der Manaslu am Himmel vor ihnen auftauchte, erkannte die verblüffte Suchmannschaft, wie exakt die Landschaft mit der Zeichnung Seiner Heiligkeit übereinstimmte.
Nach der Ankunft suchte das Team sechs Tage lang überall in der Gegend um das Dorf Samdo in Nubri. Sie gingen von Haus zu Haus und Khenpo Garwang sagte zu jeder Familie: " Wir suchen ein sehr aufgewecktes Kind. Wenn man dieses Kind studieren lässt, wird es großen Nutzen für alle bewirken. Es gibt vier solche Kinder. Wir haben je eines in Indien gefunden, in Bhutan, in Sikkim und jetzt sind wir hierher gekommen, um nach dem vierten zu suchen. Es sollte im Jahr des Pferdes geboren sein. Kennt Ihr ein solches Kind hier in Samdo?" . Aber die Suchmannschaft konnte kein drei- oder vierjähriges Kind finden, bei dem die Namen der Eltern mit den im Vorhersagebrief genannten übereinstimmten. Das Team schickte eine Nachricht an Seine Heiligkeit, dass es kein zu der Prophezeiung passendes Kind gefunden hätte. Am nächsten Tag bat Seine Heiligkeit das Team, nach Indien zurückzukommen. Und so mußten sie traurig mit leeren Händen nach Bodhgaya ins Tergar Kloster zurückkehren.  
Bei einer Audienz ging Seine Heiligkeit Karmapa mit einer Bemerkung auf die Erfolglosigkeit des Teams ein. Nach einer kurzen Pause sagte er dann, dass es für das Benchen Kloster das Beste wäre, die bevorstehende dreitägige Tseringma-Puja auszurichten. Sie sollte in Thrangu Rinpoches Vajra Vidya Institut in Sarnath stattfinden und so prächtig wie möglich gefeiert werden. Dann fragte Seine Heiligkeit: "Könnt Ihr das arrangieren?" und Tempa Yarphel antwortete: " Selbstverständlich, Eure Heiligkeit, überhaupt kein Problem". Seine Heiligkeit erläuterte dann, dass die älteren Benchen-Mönche teilnehmen sollten und dass er selbst auch die älteren Mönche des Klosters Rumtek, d.h. den Dorje Lopön (Ritualmeister), den Umze (Vorsänger), den Chötrimpa (Disziplinmeister) usw. zu der Puja einladen werde. Der Umze aus Rumtek und der amtierende Dorje Lopön aus Benchen würden die Puja leiten.

 

Anmerkung: Dieser Text wurde Michele Martin geschrieben, die verschiedene Interviews mit Tempa Yarphel, der Suchmannschaft und anderen geführt hat. Frau Michele Martin hat uns erlaubt, ihn für unsere Webseite zu verwenden. Wir sind sehr glücklich über ihr großartiges Angebot und möchten uns herzlich bedanken. Vielen, vielen Dank!